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Politische Philosophie

Der Kurs setzt das vorherige Studium der Kurse "Ökonomie" und "Ethik" voraus.

Inhalt

Politik 1

Geschichtsphilosophische Einleitung
Klassenanalyse der kapitalistischen Gesellschaft
Die Entstehung des modernen Staates

Politik 2

Die demokratische Herrschaft des Kapitals
Sozialismus
Strategie und Taktik einer antikapitalistischen Bewegung
Das Glück des Kampfes für eine Veränderung der Welt
Literatur

 

Geschichtsphilosophische Einleitung

Wäre der Geschichtsverlauf ein für allemal festgelegt, sei es durch einen Gott, als Folge unserer genetischen Struktur oder durch die Entwicklung der Produktivkräfte, dann wäre eine aus Vernunft kommende oder doch zumindest bewusste Politik, welche die gesamte Gesellschaft regelt, für uns Menschen unmöglich. Ein solcher Geschichtsdeterminismus lässt sich aber widerlegen, insofern die Menschen als frei bestimmt werden können. Denn als freie könnten sie auch die Welt gestalten, nicht nur aus Instinkt wie die Ameisen, sondern aus Freiheit, das ist kraft ihrer vernünftigen Spontaneität. Gesetzt der Mensch wäre völlig determiniert, dann wäre auch sein Bewusstsein determiniert. Ein determiniertes Bewusstsein könnte aber nicht erkennen, das es determiniert ist, weil zur wahren Erkenntnis die Freiheit des Bewusstseins vorausgesetzt ist. Denn es muss den Begriff an der Sache überprüfen, ob sie übereinstimmen; dies könnte ein solch determiniertes Bewusstsein nicht. Ist aber das Bewusstsein prinzipiell als frei bestimmt, dann muss es auch den Willen bestimmen können, der Gedanken in die Tat umsetzt. Jeder, der ein Material nach seinen Plänen bearbeitet oder eine Beziehung gestaltet, beweist die Freiheit seines Willens. Dass sich die Freiheit des einen mit der Freiheit des anderen nach einem verabredeten Plan vereinigen kann, ist eine schlüssige Folgerung. 

Wir wissen aber auch, dass wir in vielen Aktionen auf unsere Grenzen stoßen, Zwängen unterworfen sind, sei es geografische oder gesellschaftliche. Die Analyse der kapitalistische Ökonomie hat gezeigt, wie durch unsere im Einzelnen scheinbar freien Handlungen sich über den ökonomischen Mechanismus (z.B. das Wertgesetz) eine Resultante herausbildet , die  niemand bewusst wollte und die uns doch bestimmt. Wir werden von einem selbstgeschaffenen, aber nicht beherrschbaren automatischen Subjekt angetrieben, sind also im Politischen unfrei und persönlich sowieso existentiell abhängig vom Kapital. Selbst das durchschnittliche Bewusstsein wird heute über die Bewusstseinsindustrie bestimmt von den Ideologien der kapitalistischen Herrschaft, weil diese Herrschaft allein die Mittel hat  zur Produktion und massenhaften Verbreitung ihrer Ideologeme (herrschaftslegitimierende Gedanken). Dies sagt sich z.B. darin, wenn man mit Menschen redet und das Wort "Sozialismus" oder eine andere "linke" Vokabel vorkommt, dass dann bei vielen die Klappe herunter fällt und sie sind in ihrem Denken blockieren, sie mobilisieren dann alle Vorurteile des herrschenden Geistes und nehmen Argumente nicht mehr zur Kenntnis.

Der erste Schritt, dieser zwar nicht prinzipiellen, aber doch faktischen Kolonisierung unseres Bewusstseins zu entgehen, ist das Vertrauen in das eigene selbständige Denken. Insofern ist das autonome Denken, das allein den Kriterien der Vernunft folgt, der erste Schritt zum Widerstand gegen die menschenunwürdige Fremdbestimmung unseres Lebens. Sollen nicht nur emanzipatorische Gedanken gegen die gesellschaftliche Wirklichkeit der Klassengesellschaft stehen, das wäre bloß utopisch, dann muss auch etwas in der Gesellschaft selbst zur Veränderung drängen. Dies führt zunächst zu der allgemeineren Frage nach dem Treibenden in der Geschichte.

Hätten wir als Menschen bereits alle unsere Anlagen entwickelt, unsere Potenzen entfaltet, dann verliefe die Entwicklung des Menschengeschlechts über die Aufklärung des Vernünftigen zur rational bestimmten Handlung, welche die erkannten Ideen in der Praxis verwirklicht. Tatsächlich sind wir unfertig, werden durch die gesellschaftlichen Verhältnisse verblödet oder in unserer geistigen Entfaltung gehindert, von einer möglichen Praxis, die immer nur als freie vorstellbar ist, ganz zu schweigen. Dies hat schon Kant gesehen und seiner Moralphilosophie, die von einer über Aufklärung sich durchsetzenden Moralität spricht, eine Geschichtsphilosophie gegenüber gestellt, die von den realen und irrationalen Triebkräften der Geschichte ausgeht: 

"Das Mittel, dessen sich die Natur bedient, die Entwicklung aller ihrer Anlagen zu Stande zu bringen, ist der Antagonism derselben in der Gesellschaft, so fern dieser doch am Ende die Ursache einer gesetzmäßigen Ordnung derselben wird. Ich verstehe hier unter dem Antagonism die ungesellige Geselligkeit der Menschen, d.i. den Hang derselben in Gesellschaft zu treten, der doch mit einem durchgängigen Widerstande, welcher diese Gesellschaft beständig zu trennen droht, verbunden ist." (Ideen zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht, S.21)

Dass die "ungesellige Geselligkeit der Menschen" nicht primär anthropologisch bestimmt ist, sondern durch starke gesellschaftliche Mechanismen gespeist wird, haben schon bald darauf die Philosophien erkannt. Nach Marx sind dies vor allem die Konkurrenz in der kapitalistischen Ökonomie, deren Resultat die permanente Entwicklung der Produktivkräfte ist mit all seinen verändernden Folgen für die Gesellschaft, und der Klassenkampf, dessen Wirkung letztlich der Untergang der Gesellschaft ist oder möglicherweise die Abschaffung der Konkurrenz. Hier stellt sich nun das Paradox ein, dass faktisch unmoralische Handlungen wie Kriege, Verbrechen, Herrschaft und Verknechtung der Massen und ihr Widerstand dagegen zu einem Zustand führen sollen, der ein friedliches Zusammenleben aller Menschen in Freiheit nach dem Moralgesetz (das bedeutet "Moralität") ermöglichen soll. Dieses Paradox lässt sich nicht theoretisch lösen, nur Menschen mit freiem Willen können diesen Widerspruch durch ihre Tat lösen. Sie wissen, dass sich die Geschichte fortentwickelt, auch unabhängig von ihrem Willen; sie können sich dem faktischen Gang der Weltgeschichte fatalistisch unterordnen oder versuchen ihn bewusst zu verändern. (Nicht gestalten, das setzt bereits rationale Beziehungen der Menschen untereinander voraus, wie sie eine sozialistische Gesellschaftsordnung antizipiert. Heute kann man überhaupt nur eingreifen in die Geschichte, indem man überhaupt erst Bedingungen für ein rationales Handeln schafft, d.h. die naturwüchsige Ökonomie des Kapitals abschafft.)  Erste philosophische Bedingung der verändernden Tat ist die Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse und der ihnen zugrunde liegenden Ökonomie (siehe Kurs:  "Ökonomie") und des modernen Staates. 

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Klassenanalyse der kapitalistischen Gesellschaft

Moderne Klassen in der Gesellschaft sind Gruppen von Menschen, die entweder Produktionsmittel besitzen und davon leben oder solche die keine besitzen und deshalb ihre Arbeitskraft verkaufen müssen, um leben zu können. Die beiden modernen Klassen sind also die Kapitalbesitzer (Bourgeoisie) und die lohnabhängigen Arbeiter (Proletariat). Dazu kommt noch eine Klasse mit besonderen Eigentum, nämlich die Großgrundbesitzer, die von ihrem Grundbesitz leben. Vor der Französischen Revolution waren die gesellschaftlichen Verhältnisse durch Stände geprägt. In einem Stand gelangte man durch Geburt und hatte als deren Angehöriger lebenslange Privilegien wie z.B. die Steuerfreiheit des Adels. Mit der Aufhebung der Stände galten nur noch die ökonomischen Beziehungen untereinander, alle waren rechtlich frei und gleich. Die Kehrseite dieser Gleichheit war aber die soziale Ungleichheit und die Kehrseite der Freiheit war, dass die Besitzenden ihre Freiheit zumindest im Privaten genießen konnten, während die Arbeitenden günstigenfalls ihre Lohnherren aussuchen konnten. Durch die Mehrwertproduktion, also die Ausbeutung der Arbeitenden, wuchs das Eigentum der Kapitalbesitzer mehr oder weniger ständig an, während die Lohnarbeiter bestenfalls ihren Lebensstandard halten konnten. Da der Markt nicht berechenbar ist und sich durch Krisen regelt, sind es immer die Lohnabhängigen gewesen, die von den ökonomischen und daraus folgenden sozialen Eruptionen in ihrer Existenz gefährdet sind. Man denke nur an die zwei Weltkriege, die Weltwirtschaftskrise nach 1929 und den aus ihr als kapitalistische Krisenlösungsstrategie hervorgegangenen Faschismus. 

Gegen die Einteilung der Gesellschaft in Klassen haben sich bürgerliche Ideologen gewandt. Sie gehen davon aus, da man Klassen nicht mehr an ihrer Kleidung erkennen kann und Ausbeutung für sie ein Unbegriff ist, sie behaupten, dass es lediglich Schichten der Bevölkerung gibt, die nach dem Einkommen unterteilt werden oder anderen mehr zufälligen Merkmalen wie Prestige des Berufs usw. Einige sprechen sogar von "nivellierter Mittelstandsgesellschaft" (zitiert nach Gaßmann: Klassenanalyse, S. 10)  Dagegen zeigt ein einfaches Denkexperiment, wie falsch diese Ansicht ist: Man stelle sich einmal vor, es gäbe keine Lohnarbeiter und keine Kapitalbesitzer mehr in der bundesdeutschen Gesellschaft. Es wäre eine völlig andere Republik: Die Fabriken gehörten dann allen, keiner würde mehr ausgebeutet, der Staat verlöre sein Gewaltmonopol, weil die Gewalt, die in den Eigentumsverhältnissen steckt, unnötig wäre usw. Dagegen ändert eine Veränderung des Prestiges eines Berufes oder die Steigerung des Einkommens in einem Berufszweig nichts Wesentliches an der Gesellschaft. Anscheinend, so zeigt dieses Denkexperiment, gehört Kapitalbesitz und Lohnarbeit zum Wesen dieser Gesellschaftsordnung. Schichten sind bestenfalls Gruppen von Menschen innerhalb der Klassen wie z.B. Großkapitalisten und Kleinkapitalisten, oder qualifizierte und weniger qualifizierte Lohnabhängige. Oder die Schichten sind Sondergruppen am Rande der Klassen wie z.B. die Beamten, die einmal Lohnempfänger sind, andererseits als Verwalter nicht direkt vom Kapital ausgebeutet werden, obwohl sie dessen funktionelle Bedürfnisse befriedigen. 

Eine Klasseneinteilung der BRD von 1989 nach Erwerbstätigen:

Klasseneinteilung der BRD von 1989

Die herrschenden Klassen
Bourgeoisie: Großkapitalisten / Manager     2,1  %
Großgrundbesitzer (über 100 ha)     0,9  %
Kleinkapitalisten, Händler und Handwerker     5,7  %
Zwischenschicht: Höhere Staatsfunktionäre    0,01  %
Die beherrschte Klasse
Gesamtarbeiter insgesamt   80,1  %
Industriearbeiter   36,9  %
Techniker, Ingenieure, wiss. Intelligenz      ?
Staatliche Industriearbeiter     0,8  %
Landarbeiter (einschl. Forst-, Fischerei-)     0,8  %
Arbeiter im Dienstleistungssektor, Verkehr, Handel   42,4  %
Pauperisierte (ohne Arbeit u. Unterstützung)    2,6  %
Zwischen und Nebenschichten:
Grundbesitzer (Land-, Forst-, Fischereiwirtschaft) insgesamt (siehe auch oben: Großgrundbesitzer 0,9 %)     3 %
Selbstwirtschaftende Bauern (unter 100 ha)     2,1  %
Beamte (insgesamt)      9 %
Ideologen        ?

Die Einteilung der Gesellschaft in Klassen ist keine bloße Addition, sondern eine nach Funktionen. Überhaupt sind die gesellschaftlichen Verhältnisse nicht auf Grund solch einer Tabelle erkennbar, sondern diese Verhältnisse sind die, welche Klassen miteinander eingehen. Die Kapitalbesitzer benötigen die Arbeitskraft derjenigen, die kein Kapital besitzen, um ihr Kapital zu vermehren; die Lohnabhängigen müssen ihre Arbeitskraft verkaufen, um in einer Tauschgesellschaft überleben zu können, da sie von jeglichem Produktiveigentum ferngehalten werden (jedenfalls als Masse). Beide können auf dem Boden der kapitalistischen Gesellschaft nicht ohne einander sein und können doch nicht ohne Klassenkampf miteinander auskommen (vgl. "Ökonomie"). Das gesellschaftliche Verhältnis von Kapital und Arbeit prägt alle übrigen Bereiche der Gesellschaft, alle anderen Schichten sind funktional auf dieses Grundverhältnis hingeordnet. 

Da im Laufe der letzten 200 Jahre alles Kapital Resultat der Ausbeutung der Lohnabhängigen ist, haben die Kapitalbesitzer das Problem zu begründen, warum sie als kleine Minderheit Kapital besitzen, während die große Masse der Bevölkerung, die es produziert hat, kaum Produktivvermögen hat. Diese grundlegende Ungerechtigkeit der kapitalistischen Gesellschaft  wird zwar verschleiert durch die Eigentumsverhältnisse, die den Diebstahl von Arbeit durch die Herrschaft des Kapitals scheinbar legalisiert, doch der große Gewaltapparat des Staates, der zur Aufrechterhaltung der Eigentumsverhältnisse notwendig ist, zeigt, wie zweifelhaft die Enteignung der Lohnabhängigen letztlich ist. Marx fordert deshalb als erste Forderung des Sozialismus, die Enteigner zu enteignen.

Mit der permanenten Anhäufung des Reichtums auf der Kapitalseite wächst auch die politische Macht dieser Klasse, und da sie auch die ökonomische Potenz hat, das allgemeine Bewusstsein zu bestimmen über Presse, Rundfunk, Fernsehen usw., beherrscht sie inzwischen auch die meisten Köpfe derjenigen, die ein objektives Interesse an der Abschaffung der Kapitalherrschaft hätten. Auch der Staat ist längst nicht nur der Garant der Eigentumsdifferenzierung, sondern hat auch ökonomische und ideologische Funktionen zur Absicherung der Kapitalherrschaft zu erfüllen. Da der Staat eine wesentliche politische Bedingung des politischen Handelns ist, gilt es ihn zu reflektieren. 

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Die Entstehung des modernen Staates

Der moderne Staat ist im 17. und 18. Jahrhundert entstanden. Davor gab es so etwas wie Staat, wie er uns heute entgegentritt, noch nicht. Die feudale Herrschaft war zwar auch vielfach untergliedert, hatte aber noch kein Gebilde geschaffen, das sich der Gesellschaft entgegenstellte als eine Institution. Der Feudalherr als Träger der personalen Herrschaft war zugleich Regierung, Gerichtsherr, Kirchenherr und Polizei. Die damaligen staatliche Aufgaben wurden nicht von der Gesellschaft getrennt wahrgenommen, sondern waren Teil der gesellschaftlichen Selbstverwaltung. Erst mit dem Aufblühen der Städte und den Aufstieg des Handelskapitals war eine Situation entstanden, die staatliche Institutionen besser bewältigen konnten als die begrenzten feudalen Selbstverwaltungsorgane. Derjenige, der diese neuen staatlichen Organe schuf und damit den modernen Staat, war der despotische Fürst. Er konnte die beiden herrschenden Stände, das Großbürgertum (als Teil des dritten Standes) und die rangniederen adligen Feudalherren derart gegeneinander ausspielen, dass er scheinbar absolut über sie regieren konnte. (Heutige Historiker nennen diese Art politischer Herrschaft "Absolutismus", was jedoch falsch ist, da der Fürst oder Monarch nicht unbedingt (= absolut) war, sondern einen gewissen historischen Zeitraum größere Freiheiten hatte als vorher.) 

Die erste Bedingung der weitgehenden Macht der Fürsten war die Entmachtung der ständischen Selbstverwaltungsorgane, also vor allem des Adels. Da der Fürst aber selbst zum Adel gehörte, konnte er den Adel nicht seiner Privilegien berauben, ohne sich selbst zu schaden. Die politische Entmachtung des Adels ging also einher mit seiner sozialen Bestätigung. Das Mittel, die Ständeversammlung, ein spätmittelalterliches Mitbestimmungsorgan, zu beseitigen, war das stehende Heer. Damit dieses ausgerüstet werden konnte, musste das Steuersystem rationalisiert werden. Außerdem mussten die beseitigten Selbstverwaltungsorgane durch Beauftragte des Fürsten ersetzt werden. Es entstand die moderne Bürokratie. Im Gegensatz zu England, das als fortschrittlichstes Land auf den Freihandel setzte, führten die kontinentalen Fürsten eine staatliche Förderung der Wirtschaft ein, quasi eine gelenkte Marktwirtschaft, die sich Merkantilismus nannte. Damit auch dem einheitlichen Territorium und dem einheitlichen politischen Herrschaftsgebiet ein einheitliches Bewusstsein entspricht, wurde die Religion weit mehr als jemals im Mittelalter instrumentalisiert und zur Staatsreligion gemacht. 

Damit waren alle Grundelemente des modernen Staates geschaffen, die bis heute bestehen: eine Staatsbürokratie, ein stehendes Heer, die Staatsreligion ist heute im säkularisierten Zeitalter zur Hoheit des Staates über das Schulwesen geworden, und die Entscheidungskompetenz des Monarchen hat sich heute zur Richtlinienkompetenz des Kanzlers gewandelt. Die Basis dieser "Maschine", wie Kant den Staat nennt, ist aber die Gesellschaft mit ihrer Ökonomie. Dies wird deutlich in den philosophischen Begründungen des modernen Staates. 

Eine fortschrittliche Begründung des Staates, die sich nicht mehr aus dem längst widerlegte Gottesgnadentum begründet, sondern von der bürgerlichen  Gleichheit aller Menschen ausgeht entsprechend der nominalistischen These, das real nur Singularitäten sind, ist die Staatstheorie von Hobbes. Es setzt den bürgerlichen Konkurrenzkampf über den Markt als etwas Natürliches (Vgl. Naturphilosophie / Natur des Menschen) voraus und schließt von diesem auf die Notwendigkeit des despotischen Monarchen. 

"So liegen in der menschlichen Natur drei hauptsächliche Konfliktursachen: Erstens Konkurrenz, zweitens Mißtrauen, drittens Ruhmsucht. Die erste führt zu Übergriffen der Menschen des Gewinnes, die zweite der Sicherheit und die dritte des Ansehens wegen. Die ersten wenden Gewalt an, um sich zum Herrn über andere Männer und deren Frauen, Kinder und Vieh zu machen, die zweiten, um dies zu verteidigen und die dritten wegen Kleinigkeiten wie ein Wort, ein Lächeln, eine verschiedene Meinung oder jedes andere Zeichen von Geringschätzung, das entweder direkt gegen sie selbst gerichtet ist oder in einem Tadel ihre Verwandtschaft, ihrer Freunde, ihres Volkes, ihres Berufs oder ihres Namens besteht.

      Daraus ergibt sich klar, daß die Menschen, während der Zeit, in der sie ohne eine allgemeine, sie alle im Zaume haltende Macht leben, sich in einem Zustand befinden, der Krieg genannt wird, und zwar in einem Krieg eines jeden gegen jeden." (Hobbes: Leviathan, S. 95 f.) 

Der Austausch von Waren nach dem Äquivalenzprinzip und die Sicherheit, dass Verträge eingehalten werden, ist eine notwendige Bedingung der Tauschgesellschaft, sie  setzt eine über den Konkurrenten stehende Macht voraus, den Staat, der die Konkurrenten zwingt, sich an die Regeln der Warenzirkulation und ihre rechtliche Absicherung zu halten. Hobbes nennt deshalb den Staat mit seinem Monarchen an der Spitze auch Leviathan, das berühmte Untier aus der Bibel. Dass es nur ein Monarch sein kann und dieser besser für die Sicherheit der Menschen und des Eigentums sorgen kann als etwa eine gewählte Versammlung, ergibt sich für ihn daraus, dass auch der politische Herrscher in den Konkurrenzkampf einbezogen ist,  sind es aber mehrere, die herrschen, dann reproduziert sich unter ihnen der Konkurrenzkampf mit der Folge, das es Bürgerkrieg gibt, also keine Sicherheit. Aus dieser Einsicht machen sich alle Menschen eines Landes freiwillig per Vertrag zum Untertan. Dahinter steht die Erfahrung des englischen Bürgerkrieges zwischen Parlament und Krone, die ein sicheres Leben sowie Handel und Wandel im Chaos ertränkten. 

Der Besitzbürger könnte also sprechen: "Ich autorisiere  diesen Menschen oder diese Versammlung von Menschen und übertrage ihnen  mein Recht, mich zu regieren, unter der Bedingung, daß du ihnen ebenso dein Recht überträgst und alle ihre Handlungen autorisierst. Ist dies geschehen, so nennt man diese zu einer Person vereinigte Menge Staat, auf lateinisch civitas. Dies ist die Erzeugung jenes großen Leviathan oder besser, um es ehrerbietiger auszudrücken, jenes sterblichen Gottes, dem wir unter dem unsterblichen Gott unseren Frieden und Schutz verdanken. Denn durch diese ihm von jedem einzelnen im Staate verliehene Autorität steht ihm so viel Macht und Stärke zur Verfügung, die auf ihn übertragen worden sind, daß er durch den dadurch erzeugten Schrecken in die Lage versetzt wird, den Willen aller auf den innerstaatlichen Frieden und auf gegenseitige Hilfe gegen auswärtige Feinde hinzulenken. Hierin liegt das Wesen des Staates, der, um eine Definition zu geben, eine Person ist, bei der sich jeder einzelne einer großen Menge durch gegenseitigen Vertrag eines jeden mit jedem zum Autor ihrer Handlungen gemacht hat, zu dem Zweck, dass sie die Stärke und Hilfsmittel aller so, wie sie es für zweckmäßig hält, für den Frieden und die gemeinsame Verteidigung einsetzt.

       Wer diese Person verkörpert, wird Souverän genannt und besitzt, wie man sagt, höchste Gewalt, und jeder andere daneben ist sein Untertan." (S. 134 f.)

Die Gewaltförmigkeit, die in den Eigentumsverhältnissen liegt, nämlich die unterschiedliche Verteilung des Eigentums auf die Individuen, die die Konkurrenz anheizt, macht den Terror ("Schrecken") zu ihrer Absicherung notwendig. 

Der despotische Monarch soll nach Hobbes auch die Gesetze verletzen können, die er selbst gegeben hat, solange er nur seine allgemeine Aufgabe erfüllt, die Sicherung der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer Eigentumsordnung. Gegen diese Gewaltförmigkeit und scheinbare Absolutheit des Monarchen wendet sich die liberale Gesellschaftstheorie, die auf John Locke zurück geht. Sie will nicht auf Gewalt verzichten, sondern sie nur kontrollierter einsetzen. "Weder absolute und willkürliche Gewalt noch eine Regierung ohne eingeführte stehende Gesetze  ist vereinbar mit dem Ziel von Gesellschaft und Regierung, und die Menschen würden nicht auf die Freiheit des Naturzustandes verzichten und sich ihnen selbst unterstellen, geschähe es nicht, um ihr Leben, ihre Freiheit und ihren Besitz zu erhalten und kraft fester Regeln für Recht und Eigentum ihren Frieden und ihre Ruhe zu sichern." (Über die Regierung, S. 105)  

Die Macht im Staat muss geteilt werden, damit sich die einzelnen Machtinstitutionen (Legislative, Exekutive und Judikative) gegenseitig kontrollieren können, so dass niemand in eine despotische Form der politischen Herrschaft zurückfallen kann. Machtzentrum ist für Locke das Parlament. "Diese legislative Gewalt ist nicht nur die höchste Gewalt des Staates, sondern sie liegt auch geheiligt und unabänderlich in jenen Händen, in die die Gemeinschaft sie einmal gelegt hat. Keine Vorschrift irgendeines anderen Menschen, in welcher Form sie auch verfaßt, von welcher Macht sie auch gestützt sein mag, kann die Verpflichtungskraft eines Gesetzes haben, wenn sie nicht durch jene Legislative sanktioniert ist, die von der Allgemeinheit gewählt und ernannt worden ist. Ohne sie könnte das Gesetz nämlich nicht haben, was absolut notwendig ist, um es zum Gesetz zu machen, nämlich die Zustimmung der Gesellschaft." (A.a.O., S. 101)  Die "Allgemeinheit" besteht aber nur aus den Besitzenden, diese allein können nach einem Klassenwahlrecht die Legislative wählen, weil vor allem sie ein Interesse an der Sicherung des Eigentums haben, weil nur sie die Vernunft mitbrächten, Gesetze zu machen, denn sie hätten diese Vernunft durch die Anhäufung ihres Eigentum bewiesen, und weil sie die Steuern zahlten, die das Parlament bzw. die Exekutive ausgeben kann (vgl. a.a.O., S. 121 ff.). Durch das Klassenwahlrecht war eine gewisse Homogenität der Interessen im Parlament vorhanden. Nach der Durchsetzung einer allgemeinen rechtlichen Gleichheit im 19. und 20. Jahrhundert, in deren  Zuge auch die nicht besitzenden Klassen und Schichten sich das Wahlrecht für das Parlament erkämpften, geriet das Parlament aber immer mehr in die Schwierigkeit antagonistische Interessen zur Einheit zu bringen. Dies erfordert die Analyse des heutigen Parlamentarismus. 

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Copyright © 2004 Erinnyen Zeitschrift für materialistische Ethik        
Stand: 09. März 2008